Scheibbs erhält eine Erdbeben-Messstation

Erdbebenmessstation

Bürgermeister Franz Aigner, Richard Kornfeld und Nikolaus Horn von GeoSphere Austria sowie Bauamtsleiter Ing. Dietmar Nestelberger im Keller des Scheibbser Rathauses

Auch wenn die Region zurzeit als seismisch ruhig einzuschätzen ist, hat der Standort Scheibbs für den Österreichischen Erdbebendienst (GeoSphere Austria) große Wichtigkeit. 

Am 20. November 2023 hat der Erdbebendienst eine Messstation zur Erfassung von Starkbeben im Keller des Rathauses Scheibbs in Betrieb genommen.

Je nach Zweck der Erdbebenerfassung werden für das Messnetz zwei verschiedene Systeme eingesetzt. Neben dem hochempfindlichen Breitbandmessnetz (29 Stationen in Österreich), das für die Erfassung von Nah- und Fernbeben betrieben wird, besteht auch ein Starkbeben-Messnetz mit 31 Standorten in 25 Städten und Gemeinden. Es wird laufend erweitert und dient der Aufzeichnung starker Erdbeben (ab einer Magnitude von etwa 2,5). Die Stationen werden in Gebieten mit erhöhtem seismischen Risiko gebaut, insbesondere in städtischen Ballungsräumen und Gebieten mit historischen Schadenbeben, um starken Bodenbewegungen mit möglichen Bauschäden korrelieren zu können. Außerdem eignen sich die Daten zur Bestimmung von Verstärkungseffekten, die durch die Beschaffenheit des Untergrundes (Sedimente, Grundwasserspiegel, etc.) hervorgerufen werden können. Die Messdaten dienen im Falle von Erdbebenschäden als Grundlage zur Beratung für den Zivilschutz und tragen dazu bei, die seismische Gefährdungsanalyse in der Österreich zu verbessern. 

Im Österreichische Erdbebenkatalog wird für die Region Scheibbs zwar nur ein gutes Dutzend Erdbeben geführt, die in historischer Zeit dokumentiert oder in jüngerer Zeit mit dem Messnetz gemessen wurden, aber eines führte zu erheblichen Gebäudeschäden:

Am 17. Juli 1876 war Scheibbs Epizentrum eines starken Erdbebens, das zu teils schweren Schäden führte. Der Geologe A. Kowatsch veröffentlichte 1911 eine Abhandlung über das Beben in den Mitteilungen der Erdbebenkommission der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, in der 350 Nachrichten aus 231 Ortschaften auswertetet wurden. Sogar im Norden des heutigen Tschechien wurden noch schwache Erschütterungen des Bebens wahrgenommen, wie auch in der Abbildung zu sehen ist. 

Unter Zuhilfenahme von zusätzlichen Archivberichten wurden im Zuge der historischen Erdbebenforschung an der GeoSphere Austria die Auswirkungen im Jahr 2013 neu eingeschätzt und mit einer Intensität von 6-7 auf der 12-stufigen Makroseismischen Skala (EMS-98) bewertet (ursprünglich 7-8 Grad), dem entspricht eine Magnitude von etwa 4,4.

Der Pfarrer der Pfarre Gaming, der das Beben in Gaming selbst erlebte, fuhr einige Tage nach dem Naturereignis nach Scheibbs, wovon er folgendes berichtete: „… und sah selbst, wie bei dem Wirte und Lebzelter Huber die Hauptmauer seines Hauses so zersprungen war, dass man von innen durch einen solchen Sprung das Blau des Himmels sehen konnte. Es hätte vielleicht nur mehr eines einzigen Stoßes bedurft und die älteren und schlechter gebauten Häuser wären alle eingestürzt.“ (Pfarrchronik Gaming, 1876). Der Berichterstatter weist auf den schlechten Zustand des Hauses hin, was in der neuen Intensitätsbewertung berücksichtigt wurde. 

Aus den Erfahrungen der historischen Erdbebenforschung weiß man, dass die Intensität der historischen Erdbeben oft überschätzt wurde, wie es auch beim Erdbeben des Jahres 1876 der Fall war. 

Die neuen Erkenntnisse bezüglich Intensitätsbewertung hat auch Eingang in die neue Erdbeben-Gefährdungskarte Österreichs gefunden, die 2020 veröffentlicht wurde. Die Gefährdung von Scheibbs im Vergleich zur vorigen Karte ist wesentlich reduziert, weil mit diesen Erkenntnissen eine wesentlich bessere historische Bewertungsgrundlage vorliegt. 

Das zweitstärkste Erdbeben im Bezirk Scheibbs ereignete sich 1917 in Lackenhof mit einer Magnitude von 2,7 und einer Intensität von 5 Grad (EMS-98).  Das letzte gemessene Erdbeben im Scheibbser Bezirk liegt ein gutes Jahr zurück, am 30. Oktober 2022 wurde das schwache Erdbeben der Magnitude 0,9 in Kienberg bei Gaming sogar leicht verspürt, da der seichte Bebenherd in nur 3 km Tiefe lag. 

Da es keine stärkeren mit Messinstrumenten registrierten Erdbeben in der Region gibt, die in der Molassezone, einem Voralpentrog, liegt, konnten aus Messdaten bislang keine Bewegungsrichtungen an tektonischen Bruchflächen im Untergrund ermittelt werden, an denen sich die Gesteinsmassen relativ zueinander bewegen. Ein Bezug zu einer der großen Bewegungslinien der Alpen – die SEMP-Störung (Salzach-Ennstal-Mariazell-Puchberg-Störung), ist realistisch, eine Zuordnung zu speziellen Störungszonen, wie etwa der Isper-Störung (NS orientiert) und die Hochwartstörung (WNW-OSO) kann aber nicht vorgenommen werden.  

Diagramm, Karte

Abbildung: Orte an denen das Beben von 1876 verspürt wurde.


Entnommen den Abhandlungen der Geologischen Bundesanstalt: https://www.zobodat.at/pdf/AbhGeolBA_67_0001-0297.pdf

Quellen:

Hammerl, Ch. & Lenhardt, W.A. (1997): Erdbeben in Österreich, Leykam Verlag (1997)

Hammerl, Ch. & Lenhardt, W.A. (2013): Erdbeben in Niederösterreich von 1000 bis 2009 n. Chr. – Abh. Geol. B.-A., 67, 297 S., Wien


Messstation Rathauskeller

24.11.2023